Mein neuer Artikel “Une crise révélatrice” ist gerade im Luxemburger Wort erschienen (1 August 2020). In dem Artikel diskutiere ich, dass das Kriterium zur Einstufung einer Region als Risikogebiet (50 Covid-19 Fälle pro 100 000 Einwohner während einer Woche) wenig Sinn macht, wenn es nicht an die nationalen Teststrategien angepasst wird. Als Beispiel nehme ich Luxemburg und Deutschland. Wenn Deutschland prozentual so viel testen würde wie Luxemburg, dann würde Deutschland selbst als Risikogebiet eingestuft werden müssen. Wenn Luxemburg jedoch so wenig testen würde wie Deutschland, dann würde es nicht mehr als Risikogebiet gelten. Im Grunde bedeutet dies auch, dass es von Nöten ist, dieses Kriterium auf europäischer Ebene zu überarbeiten.

Macht Luxemburgs Einstufung als Covid-19 Risikogebiet Sinn?

Ingmar Schumacher
Professor in Umweltökonomie
IPAG Business School Paris

Erschienen im Luxemburger Wort am 1. August 2020 unter dem Titel “Une crise révélatrice”. (Pdf Version).

Seit Mitte Juli 2020 ist Luxemburg als Risikogebiet unter anderem in Belgien, Deutschland und der Schweiz eingestuft. Das Auswärtige Amt Deutschland warnt auf ihrer Webseite vor einer unnötigen Einreise nach Luxemburg, da Luxemburg die Neuinfiziertenzahl von 50 Fällen pro 100.000 Einwohner kumulativ in den letzten 7 Tagen überschritten hat. Eine Frage, die man sich in Luxemburg momentan häufiger stellt, ist, ob die Large Scale Tests in Luxemburg bei dieser Einstufung eine wichtige Rolle spielen.

Es ist natürlich einleuchtend, dass ein Land, wenn es die Anzahl der Teste erhöht, auch mehr Covid-19 Fälle findet. Dann ist auch selbstverständlich, dass ein Land, in welchem mehr Teste als in einem anderen Land gemacht werden, auch relativ mehr Fälle gefunden werden. Damit also der Grenzwert, der benutzt wird, um Länder als Risikogebiet einzustufen, auch vergleichbar zwischen Ländern ist, müsste die Anzahl der Fälle an die landesweit unterschiedliche Anzahl von Testen angepasst werden.

Nehmen wir als Beispiel den Unterschied zwischen Luxemburg und Deutschland. Deutschland hat in der letzten Zeit circa 0,09% der Bevölkerung pro Tag getestet. Luxemburg testete im gleichen Zeitraum durchschnittlich 1,5% der Bevölkerung pro Tag. Dies bedeutet, dass in Luxemburg pro Tag ca. 17-mal weniger Fälle gefunden werden müssten, wenn Luxemburg prozentual genauso wenig Teste machen würde wie Deutschland. Luxemburg hat momentan 130 Covid-19 Fälle pro 100.000 Einwohner kumulativ über die letzten sieben Tage. Umgerechnet mit dem Faktor 17 ergäbe das also circa 7,5 Fälle pro 100.000 Einwohner über die letzten sieben Tage, was weit unter dem Grenzwert liegt den die Nachbarländer benutzen, um Luxemburg als Risikogebiet einzustufen.   

Man könnte den gleichen Ansatz auch auf Deutschland anwenden und ausrechnen was passiert, wenn Deutschland so viel testen würde wie Luxemburg, also 17-mal mehr als jetzt. Da momentan in Deutschland ungefähr vier Fälle pro 100.000 Einwohner über die letzten sieben Tage ermittelt wurden, bedeutet dies, dass in Deutschland ca. 68 Fälle pro 100.000 Einwohner gefunden werden würden. Dies bedeutet, dass auch Deutschland als Risikogebiet eingestuft werden müsste. 

Da die Teststrategien in Luxemburg anders sind als die in Deutschland, kann man natürlich nicht so einfach alles umrechnen. Nur als Beispiel, in Deutschland wird fast ausschließlich in Risikogebieten getestet, während in Luxemburg ein genereller Aufruf an die Bevölkerung gemacht wird und jeder sich testen lassen kann. So ein Unterschied im Ansatz bedeutet zum Beispiel, dass in Deutschland verglichen mit Luxemburg die Wahrscheinlichkeit höher sein müsste, dass jemand positiv getestet wird. Wenn jetzt auch in Deutschland mehr getestet werden würde, also nicht nur in Risikogebieten sondern auch in der breiten Bevölkerung, dann würde pro Test die Wahrscheinlichkeit eines positiven Testergebnisses auch dementsprechend sinken. Dies würde wiederum bedeuten, dass insgesamt weniger Fälle pro 100.000 Einwohner gefunden werden würden als wenn man einfach nur die Fälle auf das Luxemburger Niveau hochrechnet. 

Unsere Analyse hat also gezeigt, dass die Einstufung eines Landes als Risikogebiet unabhängig von der Anzahl der Tests wenig Sinn macht. Was jedoch beachtet werden sollte ist, dass in Luxemburg auch mit dem obigen Umrechnungsfaktor trotzdem noch doppelt so viele Fälle gefunden werden als in Deutschland, und das obwohl in Deutschland eher in Risikogebieten getestet wird und in Luxemburg die breite Bevölkerung. Deshalb ist es wichtig, dass diese Analyse auf keinen Fall als Entwarnung gesehen werden darf. Die Covid-19 Fälle in Luxemburg sind in letzter Zeit wieder merklich angestiegen, und wir sind am Anfang einer zweiten Welle. Die sozialen Distanzierungsmaßnahmen sind weiterhin nötig damit die Fälle konstant niedrig bleiben, und somit ein erneuter Lockdown vermieden wird. Jeder Bürger ist hier nach wie vor gefragt, ihren und seinen Teil dazu beizutragen, die Covid-19 Fälle unter Kontrolle zu halten.