Covid-19 kommt wieder – was tun?

Guy Meunier, INRA
Ingmar Schumacher, IPAG Business School Paris

Erschienen im Luxemburger Tageblatt, 18. Juli 2020

Man kann es drehen und wenden wie man will, aber Luxemburg ist am Anfang einer zweiten Welle. Wie weitreichend diese sein wird ist noch ungewiss. Und es ist sicherlich nicht das letzte Land in der näheren Umgebung, welches vor diesem Problem steht. Die Gründe sind etwas komplexer als man erhoffen würde. Aber beginnen wir von vorne.

Der Lockdown am Anfang des Jahres war nötig weil niemand zu diesem Zeitpunkt genau wusste, wie viele Einwohner eigentlich schon mit Covid-19 infiziert waren, und wie das Gesundheitssystem belastet werden würde. Die letzten Informationen aus Italien, die man zu diesem Zeitpunkt bekommen hatte, waren so erschütternd, dass der Lockdown die sinnvollste Lösung war. Klar gibt es Unterschiede in den Familienstrukturen und im Durchschnittsalter wenn man Italien und Luxemburg vergleicht. Es stimmt auch, dass diese Konditionen die Verbreitung von Covid-19 in Italien gefördert haben. Forschungsergebnisse haben jedoch auch gezeigt, dass ein politisch schnelles Eingreifen, durch z.B. einen Lockdown oder soziale Distanzierungsmaßnahmen,  den größten Effekt auf ein schnelles und wirksames Eindämmen des Virus hatten.  

Die letzten Daten deuten mehr und mehr darauf hin, dass Luxemburg eine zweite Welle bevorsteht. Die Situation jetzt ist jedoch etwas anders als noch im Februar, einfach weil wir viel mehr Informationen über Covid-19 haben. Wir wissen mehr über die Art und Weise wie sich das Virus ausbreitet und wer gefährdet ist. Wir wissen welche Regeln eingehalten werden müssen, um die Ausbreitung von Covid-19 zu verlangsamen. Wir testen mehr, so dass wir einen besseren Überblick über die Ausbreitung von Covid-19 in der Gesellschaft haben. Die Frage ist jetzt, wie Luxemburg einer weiteren Ausbreitung entgegenwirken kann.

Hier gibt es zwei Möglichkeiten und eine wichtige komplementäre Option. Die erste Möglichkeit ist, dass die Politik die Maßnahmen zur sozialen Distanzierung wieder verschärft. Die zweite Möglichkeit ist, dass die Luxemburger von sich aus anfangen, wieder die nötige soziale Distanzierung einzuführen. Die wichtige komplementäre Option ist die Rolle der Presse, die auch medienübergreifend informieren muss. Die Frage, die sich jetzt stellt, ist, welche Möglichkeiten in Erwägung gezogen werden sollten.

Während des Lockdowns, sowie kurz danach, haben wir eine Umfrage von 1600 Personen in Luxemburg und Frankreich durchgeführt um die Einstellung von Luxemburgern und Franzosen zum Umgang mit der Covid-19 Situation zu erfassen. Ein Ergebnis ist, dass der Lockdown zu einer drastischen Reduktion der sozialen Kontakte geführt hat, aber dass ohne staatliche Regulierung (also nach dem Lockdown) die Leute wieder fast zu ihren üblichen sozialen Kontakten zurückkehren. Es ist also klar, dass die vermehrten sozialen Kontakte nach dem Lockdown unweigerlich auch wieder zu einer Ausbreitung des Virus beitragen. Solange jedoch die Infektionen nicht Überhand nehmen und die Krankenhäuser an ihre Grenzen bringen, ist ein weiterer Lockdown nicht von Nöten. Mittlerweile stellt sich jedoch eine weitere Frage: wollen wir die Infektionen niedrig genug halten, damit wir auch weiterhin ins Ausland fahren können? Länder wie Belgien oder Deutschland haben schon die Regulierungen gegenüber Luxemburg verstärkt, weil die Fälle in Luxemburg wieder hochgeschnellt sind. Ein zusätzliches Problem ergibt sich durch das Contact Tracing. Schon durch die jetzigen Infektionszahlen stößt das Contact Tracing in Luxemburg an seine Grenzen. Wenn die Infektionszahlen noch etwas weiter steigen, wird das Contact Tracing nicht mehr möglich sein, was wiederum die Chancen verringert, die Infektion unter Kontrolle zu halten.

Aus unserer Umfrage hat sich auch ergeben, dass, ohne Regulierung von der Regierung, ein Drittel der Befragten entweder keine oder nur sehr wenig soziale Distanzierung machen würde. Dies bedeutet, dass ein Drittel aller Leute weder Maske tragen, noch 2m Abstand einhalten, und sich nur selten zusätzlich die Hände waschen. Die Daten zeigen auch, dass diejenigen, die soziale Distanzierung als wenig nützlich ansehen um die Ansteckungsgefahr zu reduzieren, auch diejenigen sind, die öfter andere Leute treffen. Wir sehen es deshalb als eine wichtige Aufgabe der Medien, weiterhin über den Nutzen der sozialen Distanzierungsmaßnahmen zu informieren, damit auch das letzte Drittel der Bevölkerung die Wichtigkeit dieser Maßnahmen einsieht.

Unsere Studie kommt deshalb zu folgenden Ergebnissen. Um die Ausbreitung von Covid-19 weiterhin so niedrig zu halten, damit weder ein Lockdown erforderlich wird, noch Luxemburger von anderen Ländern Einreisebeschränkungen zu befürchten haben, müssen drei Komponenten zusammenkommen.

Erstens, die Medien müssen wieder vermehrt über den Nutzen von sozialer Distanzierung informieren. Hierzu ist es auch wichtig, dass ein Auge auf die sozialen Medien geworfen wird und Fehlinformationen, welche in sozialen Netzwerken breit verteilt werden, auch dort von Medien- und Regierungsseite richtiggestellt werden. Dazu ist es wichtig, dass die Medien mehr Aufklärung machen und zeigen, dass durchaus auch jüngere Luxemburger einen recht schwerwiegenden Krankheitsverlauf haben können. Fallbeispiele, die von den Medien publiziert werden, könnten hier auch jüngeren Menschen den manchmal auch drastischen Verlauf der Covid-19 Erkrankung vor Augen führen.

Zweitens, die Regierung muss klar und überall präsent die Regulierungen für Covid-19 für die Bevölkerung zur Verfügung stellen. Dies ist momentan nur beschränkt der Fall. Außerdem müssen die Strafen für eine Nichteinhaltung der Regelungen verstärkt werden. Zusätzlich sollte die Regierung in ihren Entscheidungen zur Regulierung auch die internationalen Interessen mit einbeziehen. Wenn Nachbarländer wieder anfangen, die Regulierungen gegenüber Luxemburg zu verstärken, dann bedeutet dies auch erhöhte Kosten für ein so international ausgerichtetes Land wie Luxemburg. Nur durch eine Reduktion der Fälle sind diese erhöhten Kosten für Luxemburg vermeidbar. Dazu ist es wichtig, dass nicht nur auf die Kapazitäten der Krankenhäuser geachtet wird, sondern auch auf die des Contact Tracings, plus auf die Richtlinien zu den Grenzen der Infektionszahlen der umliegenden Länder, die bei einer Überschreitung neue Einschränkungen für Luxemburger zur Folge haben.

Drittens, die letzten Forschungsergebnisse von Forschern des Kings College London zeigen, dass die Immunität gegenüber Covid-19 nicht lange anhält, und kürzer ausfällt je schwächer die Symptome waren. Dies bedeutet leider auch, dass eine Impfung, wenn sie denn dann mal entwickelt ist, sehr wahrscheinlich nur kurzzeitig wirksam sein wird. Covid-19 könnte daher viel länger Bestandteil unserer Gesellschaft sein als wir es anfänglich befürchtet hatten. Zusätzlich bedeutet dies, dass die sozialen Distanzierungsmaßnahmen wohl auch in der Zukunft aufrecht erhaltet werden müssen. Daher wäre es wichtig, dass auch das letzte Drittel der Bevölkerung, was nicht an die Effektivität dieser Maßnahmen glaubt, besser informiert werden muss. Hier spielen die Medien eine große Rolle, aber auch die sozialen Normen. Nur wenn die Gesellschaft anfängt zu akzeptieren, dass diese Maßnahmen die neue Norm sein werden, können wir auch die Ausbreitung von Covid-19 unter Kontrolle halten.

Schlussendlich würden wir gerne Folgendes hervorheben. Unsere Forschungsergebnisse haben auch gezeigt, dass die meisten Menschen eigentlich sozial und kooperativ sind und soziale Distanzierung praktizieren, um nicht nur sich selbst und ihre Angehörigen, sondern auch andere zu schützen. Den meisten Menschen ist die Ausbreitung des Virus nicht gleichgültig und sie sind bereit, zu seiner Verlangsamung beizutragen. Jeder Einzelne hier kann viel dazu beitragen, die Verbreitung von Covid-19 zu minimieren. Je mehr Menschen zu sozialer Distanzierung bereit sind, desto weniger stark muss der Einfluss der Regierung sein, und desto wahrscheinlicher ist es, dass das Virus unter Kontrolle gehalten wird. In dieser Krise zeigt sich, wie solidarisch und sozial wir alle wirklich sind.

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